Friedhofs-Geschichten: Die Totenbettmeister vom alten Nikolai-Friedhof

Der alte/neue Nikolai-Friedhof am Lerchaweg in Meissen verfällt seit geraumer Zeit. Die alte Kapelle, die wohl um 1910 erbaut wurde, weißt im Inneren enorme Wasser- und Fäulnisschäden auf. Der alten Leichenhalle ergeht es nicht besser.

Der Friedhof St. Nikolai am Lerchaweg wurde am 12.1.1879 mit der ersten Bestattung eingeweiht. Der alte Nikolaikirchhof an der heutigen Nikolaikirche am Neumarkt, wurde im selben Jahr aus seuchenhygienischen Gründen geschlossen. Das hatte wohl den Grund, dass man Krankheiten aus der Stadt fern halten wollte.

Um 1901 wurde der damals neue Nikolai-Friedhof erweitert. Um 1914 wurde die Rede- und Leichenhalle eingeweiht. (Quelle: Günter Naumann – Sax-Verlag – Stadtlexikon Meißen)

Mich hat dieser Grund bewegt, etwas mehr über den Friedhof, oder besser gesagt über den Beruf des Totenbettmeisters, später Friedhofsaufseher, auf genau dem St. Nikolai Friedhof zu erfahren. Wer hat wann dort gearbeitet und gewohnt? In diesem Zusammenhang können uns historische Adressbücher aus der SLUB Dresden weiterhelfen.

Ein erster Eintrag lässt sich dafür aus dem Adressbuch 1893 finden. Am Lerchaweg 11 wohnte hier der Totenbettmeister Friedrich Wilhelm Golde und war ebenso Besitzer des Hauses. Aus dem Adressbuch 1895 ändert sich nichts an diesen Verhältnissen.

1899/1900 tauchen dann die Namen Golde, Hermann und Golde, Otto in dem Adressbuch auf. Beide gehen zu dieser Zeit dem Beruf des Porzellanmalers nach. Wilhelm Golde ist weiterhin der Totenbettmeister vom neuen Nilolai-Friedhof. Interessant wäre hier zu erfahren, wie diese 3 Namen zueinander stehen. Das Alter würde hier viel verraten, so kann man nur spekulieren.


1904 taucht ein weiterer Name auf. Golde, Ernst ist Wirtschaftsgehilfe und wohnt ebenfalls in der Nr. 11 am Lerchaweg. Durch die Nennung des alten Berufes Wirtschaftsgehilfe, kann man davon ausgehen, dass es der Sohn eines der Goldes war. Hat Sohn Ernst Golde bei Papa Golde zu dieser Zeit eine Art Lehrausbildung zum Totenbettmeister absolviert?

1906 ändert sich einiges in der Familie Golde und unsere Vermutung bestätigt sich. Aus dem Adressbuch ist zu entnehmen, dass der Totenbettmeister Wilhelm Golde verstorben ist. Das geht daraus hervor, dass die bisher nie erwähnte Amalie Friederike Golde als Besitzerin und verwitwet angeführt wird. Otto und Hermann Golde werden weiterhin als Porzellanmaler aufgeführt. Ernst Golde ist nun in die Fußstapfen seines Vaters getreten und ist der neue Totenbettmeister vom neuen Nikolai-Friedhof.

1910 ist Ernst Golde weiterhin Totenbettmeister und seine Mutter Amalie als Besitzerin angegeben. Hermann Golde ist weiterhin Porzellanmaler. Ein Eintrag über Otto Golde fehlt.

1912 wird es etwas verwirrend um die Familie Golde. Als Besitzer und Totenbettmeister des Friedhofs taucht hier plötzlich der Name Mar. Golde auf. Leider nur als Abkürzung. Weiterhin wird Hermann Golde als Porzellanmaler aufgeführt. Ein als Invalide bezeichneter Sg. Hartwig, August Anton wird ebenso als Anwohner gelistet. Was ist aber mit Mutter Amalie und Sohn Ernst Golde passiert?

1914 kommt wieder etwas Klarheit in die Angelegenheit. Als Besitzerin vom Lerchaweg 11 wird nun wieder Amalie Golde aufgeführt, aber nicht als alleinige Besitzerin. Eine Olga Bertha Golde taucht als Zweitbesitzerin auf, leider mit dem Hinweis auf: verwitwet. Scheinbar ist Ernst Golde verstorben. Erstmals taucht im Adressbuch der Name Golde nicht mehr in Verbindung mit dem Beruf des Totenbettmeisters auf. Hermann Golde wird weiterhin als Porzellanmaler geführt und Invalide Hartwig August wohnt ebenso in dem Gebäude.

Ein Blick weiter auf Haus Nr. 12 am Lerchaweg zeigt aber, dass es einen neuen Totenbettmeister gab. Besitzer des Hauses die damalige Luthergemeinde. Wie wir aus dem Stadtlexikon erfahren haben, wurde 1914 die neue Kapelle und das Leichenhaus eingeweiht. Sicher hat sich hier etwas an den Verhältnissen geändert. Totenbettmeister ist nun Paul Martin Kürbis. Es tauchen keine weiteren Familiennamen zu dieser Adresse auf.

Die alte Kapelle im heutigen Zustand



1916-21 – Kein Änderungen im Adressbuch zum Lerchweg 12 und dem Totenbettmeister Paul Martin Kürbis. Am Lerchweg 11 ist nun nur noch Olga Bertha Golde als Besitzerin aufgeführt. Hermann Golde ist immer noch Porzellanmaler. Invalide Hartwig August wird immer noch als Anwohner geführt.

1924 ist als Besitzer des Hauses am Lerchaweg 12 Paul Martin Kürbis eingetragen. Die Berufsbezeichnung Totenbettmeister wurde in Friedhofsaufseher umgewandelt. Am Lerchaweg 11 taucht neben Olga Bertha und Hermann Golde wieder Otto Golde auf. Diesmal als Porzellandreher. Der Invalide Hartwig August hat wahrscheinlich nicht alleine gewohnt. Eine Gertrude Hartwig wird als Arbeiterin erstmals im Adressbuch aufgeführt.

1926-27 – Keine Änderungen um unsere bekannten Personen, außer das Gertrude Hartwig wieder nicht gelistet wird. Das nächste Adressbuch erscheint erst wieder 1939, zumindest online in der SLUB Dresden. Ich bin gespannt wie es dort weiter geht und ob es noch Hinweise auf die Familie Golde und Kürbis gibt.

Das Adressbuch von 1939 zeigt uns wieder einige interessante Dinge in Bezug unserer beiden Familien auf. Am Lerchaweg 12 wohnte immer noch Martin Kürbis und ist wie gewohnt der Friedhofsaufseher vom Nikolai-Friedhof. Ein Rudolf Kürbis taucht als Töpfer erstmals im Adressbuch auf.

Wir erfahren außerdem, dass die verwitwete Olga Golde vom Lerchaweg 11, deren Mann Ernst Golde einst Totenbettmeister war, in einem Landwirtschafts und Gartenbetrieb arbeitet und dieser den Namen Otto Golde trägt. Otto Golde ist ebenfalls als Gartenbauer und Händler gelistet. Wir erinnern uns. Otto Golde war sonst immer als Porzellanmaler/dreher gelistet. Hier gab es demnach einige berufliche Umstrukturierungen.

In dem letzten Adressbuch von 1950 verliert sich jegliche Spur auf den Friedhofsaufseher Martin Kürbis. Am Lerchaweg 12 werden nun komplett andere Namen gelistet. Allgemein findet sich am gesamten Lerchaweg kein Hinweis mehr auf einen Friedhofsaufseher.

Am Lerchweg 11 hingegen scheint fast alles beim Alten geblieben. Besitzerin des Hauses ist nach wie vor Olga Golde, aber mit dem Hinweis, dass Olga nun Rentnerin ist. Otto Golde lebt auch noch und wird als Gärtner aufgeführt.

So endet die Geschichte von den alten Totenbettmeistern am Lerchaweg. Ich finde es extrem spannend, was man aus den alten Adressbüchern alles ableiten kann. Ich Danke Euch fürs lesen und Bilder ansehen.


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One thought on “Friedhofs-Geschichten: Die Totenbettmeister vom alten Nikolai-Friedhof

  1. Der alte Nikolaifriedhof (Kriegergedächtnis-Kirche) wurde meines Wissens auch offengelassen, weil die fast jährlichen Hochwasser von Triebisch und Elbe, oft das Friedhofsgelände überflutet hatten. Das wird wohl auch mit den hygienischen Gründen gemeint sein. Gruß von Reiner oder Numismatikus vom Triebischtaler

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