Der 131 Jahre alte Friedhof und seine Geschichte

In unserem Osterurlaub nahe Karlsbad (Karlovy Vary), streifte ich eines Abends über die Google-Maps Karte, um ein wenig die Umgebung um unserer Pension in Dubina zu erkunden. Gar nicht weit von der Unterkunft entfernt, stieß ich auf den kleinen Ort mit dem Namen Svatobor.

Das kleine Dorf am Rande eines Militärbezirks ist winzig. Hier stehen gerade mal 5 Häuser, in denen insgesamt 20 Bewohner leben. Als wir am nächsten Morgen dort aufschlugen, ja, wir mussten sofort hin, bellten dort gefühlt mehr Hunde, als dort Menschen leben. Vorerst noch hinter Zäunen.

Rechter Hand der Straße findet man kein Haus. Ein parkähnlicher Platz lädt Wandersleute zum Verweilen und ein Spielplatz mit Klettergerüst und Schaukel Kinder zum Spielen ein. Das ist echt verrückt. Uns ist aufgefallen, dass jedes kleinste Dorf in Tschechien im Ortskern einen Spielplatz hat. Und einen Tante-Emma-Laden. Der fehlte jedoch in Svatobor. Denn dafür war das Dorf dann doch zu klein.

Kirche Maria Himmelfahrt in Svatobor

Doch wir waren nicht zum Schaukeln dort, auch wenn es Nicole sehr in den Fingern gejuckt hat. Hinter dem Spielplatz erstreckt sich auf einer Anhöhe eine alte Kirche. Den Namen möchte ich hier auf Tschechisch wiedergeben, weil er so schön klingt: Kostel Nanebevzetí Panny Marie. Das heißt auf Deutsch: die Kirche Maria Himmelfahrt.

Wie ihr es vielleicht schon erahnen könnt, ist diese Kirche lange verlassen und in einem ziemlich schlechten Zustand, auch wenn vor ein paar Jahren durch eine Initiative Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Dabei hat die ehemals römisch-katholische Wallfahrtskirche eine weitreichende Geschichte bis in das 13. Jahrhundert, welche auch online gut dokumentiert ist. —> (Quelle: Tschechisches Wiki) —> (im Browser auf deutsch übersetzen lassen. funktioniert gut mit google chrome)

So schwer es mir fällt, aber um die einst schöne Kirche soll es hier nicht weiter gehen, da ich hier sonst einen halben Roman niederschreibe. Der eigentliche Grund für unseren Besuch war nämlich etwas, was ebenfalls zu einer Kirche gehört, und zwar ein Friedhof.

Alte Friedhofsallee

Schon auf dem Weg dorthin, der hinter der Kirche zwischen einer Allee aus alten, knorrigen Bäumen gesäumt ist, kann man erahnen, dass auch der Friedhof einige Jahre auf dem Buckel hat. Um genau zu sein, über ein Jahrhundert. Die Stimmung auf dieser Allee ist dementsprechend düster und vermittelt eine ganz merkwürdige Atmosphäre, welche ich bisher immer als positive Stimmung in Erinnerung hatte, wenn wir verlassene Orte besuchen.

Weil sich diese Allee an einem Hang befindet, kann man auch nicht sehen, was sich an ihrem Ende befindet. Das macht die Sache noch spannender und die paar Meter kommen einem vor wie ein paar Kilometer. Am Ende angekommen, ist das Erstaunen aller Beteiligten groß. Wie kann es denn sein, dass so ein alter Friedhof hier oben völlig verwildert und verlassen vor sich hin verfällt? Und warum sind alle Grabinschriften in deutscher Sprache?

Die Antwort ist gar nicht so kompliziert. Der 2. Weltkrieg und seine Wirren aus Allmachtsfantasien und der anschließenden Vertreibung der ehemaligen Sudetendeutschen aus dem heutigen Westböhmen, die sich beim Anschluss an das 3. Reich sicher nicht dieses Szenario vorgestellt hatten. Darüber hinaus wurde das Gebiet nach 1945 in einem Militärbezirk integriert und ein Betreten war nicht möglich. Erst später verkleinerte sich der Wirkbereich des Militärs und es siedelten sich wieder Menschen an.

Auf der anderen Seite würde heute dieser Friedhof so sicher nicht mehr existieren. Alles wäre fein gepflegt und die Gräber längst ausgetauscht. So hat die einst schlimme Geschichte ein Mahnmal hinterlassen, was genau diese Zeit heute noch atmosphärisch wiedergibt und für uns fast greifbar macht. Was ist mit den Nachfahren dieser dort beigesetzten Menschen passiert? Wohin hat es Sie nach der Vertreibung verschlagen und wie ist es Ihnen ergangen?

All diese Fragen haben sich mir aufgetan, als ich dort zwischen den alten Gräbern nach Motiven gesucht habe, die dort reichlich vorhanden sind. Gerade die alten Emaille-Schilder, auf denen sogar Fotos der Verstorbenen abgebildet und durch Verwitterung einen geisterhaften Charme vermitteln, haben es in sich. Dazu ist erkennbar, dass mutwillige Zerstörung ebenfalls ein Thema war/ist und die geschichtlichen Ereignisse sicher noch nicht komplett überwunden sind.

Der Friedhof und seine Umgebung sind gut dokumentiert, was ich beim Erkunden nicht gedacht hätte. Eine nachfolgende Recherche ergab, dass ein Verein mit dem Namen: Verein zur Dokumentation und Restauration von Denkmälern in der Umgebung von Karlovarsk (Karlsbader Region) sich diesen Friedhof, der Kirche und auch dem Dorf angenommen hat.

Das heißt, der Friedhof war einst gar nicht begehbar, da er unter Bäumen und Sträucher verborgen lag. Bäume und Büsche wurden entfernt, Gräber wurde ausgegraben und wieder aufgestellt, Inschriften zusammengesetzt und präsentiert. Den Aufwand kann man sich gut vorstellen. Dieser Verein hat auch alles auf seiner Homepage in Bild und Text dokumentiert.

Sehr interessant ist auch die Geschichte des Friedhofs, die durch ein Gedenkbuch der Gemeinde Svatobor (damals Zwetbau), sehr gut belegt ist. Der Pfarrer Johann Weselý wies schon 1863 in einem Schreiben an das Bezirksamt in Karlsbad darauf hin, dass der Gottesacker um die Kirche zu klein sei und durch die immer weiter wachsende Gemeinde ein neuer Friedhof notwendig werden würde.

Erst 1892 kam es zum Bau und Fertigstellung. Der neue Friedhof wurde am 23. Oktober 1982 durch den Ehrwürdigen Ordinariats in Prag eingeweiht. Die erste Bestattung fand am 5. Februar 1893 statt. Es war die Bewohnerin von Šemnice (Schömitz) Nr. 23, Maria Anna Himmel. (Quelle und komplette Geschichte)

Wenn wir uns jetzt die Daten ansehen und wir heute das Jahr 2023 schreiben, dann ist dieser Friedhof stolze 131 Jahre alt. Und wie erwähnt ist dieses Alter dort sehr wahrnehmbar. Ich fand den Ort und das dazugehörige Material an Geschichte sehr interessant und ich hoffe, Euch hat der Artikel genauso gefallen. Falls es Euch mal in die Gegend verschlägt, schaut ihn Euch an und lauscht dem alten Gottesacker und knorrigen Bäumen, während sie Euch alte Geschichten von damals erzählen.



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