
Als ich vor geraumer Zeit den alten Wolfgang Friedhof an der Jahnastraße in Meißen erkundete, viel mir beim Verlassen ein zum Teil leerstehendes Gebäude direkt gegenüber vom Ausgang des alten Friedhofs auf. Beim genaueren Hinsehen erkennt man hier alte hölzerne Rollläden, die auf ein Ladengeschäft hindeuten. Über dem ehemaligen Eingang befindet sich noch heute die Aufschrift Karl Fuchs in schön geschwungener Schrift.
Ein Blick in das Adressbuch von Meißen aus dem Jahre 1926 gibt hier wieder Aufschluss über den Besitzer und seine Tätigkeit und somit auch über den Zweck des alten Gebäudes, was sich nach einem Vergleich mit alten Fotos zu heute wirklich kaum verändert hat.
Der Eintrag im Adressbuch ist eindeutig. Karl Fuchs war Fleischermeister und Gastwirt in der Jahnastraße 19. Auf einer Postkarte von Brück u. Sohn aus dem Jahre 1930 zeigt das Gebäude von Karl Fuchs die Aufschriften. „Oberes Gasthaus Meisatal“ und „Fleisch u. Wurstverkauf“. Es lohnt hier auch noch ein Blick in weitere Adressbücher. Um 1939 hieß das Gasthaus dann „Fuchsbau“.
Nebenan wohnte in der Jahnastraße 18 der Totenbettmeister Franz Zeiler und der Arbeiter Gustav Beutte. Der Eintrag ist mit: „Begräbnisgemeinde St. Wolfgang“ versehen. Der spätgotische Kirchenbau wird heute von der Dombauhütte genutzt.

Interessant wird es nach einem Eintrag aus dem Meißner Stadtlexikon von Günter Naumann. Hier zeigt ein Foto mit seiner Beschreibung, dass das Gasthaus im Volksmund auch Totenschänke genannt wurde. Die Nähe zum Alten Friedhof und dem Totengräberhaus begünstigt diesen Name ungemein. Ein anderer, schauriger Gedanke beschleicht mich dabei, dass die Totenschänke auch Fleisch u. Wurstwaren anbot. Hier sind der Fantasie keine Grenzen zum Gruseln gesetzt.
Aber schauen wir uns auch einmal kurz auf dem alten Wolfgang-Friedhof um. Hier wird es ebenfalls gruselig. Wir finden hier neben vielen alten Grabstätten, vornehmlich von alten Bauernhof- und Gutsbesitzern aus dem heutigen Käbschütztal, auch aufgebrochene Gräber. Dies scheint mir doch sehr ungewöhnlich, da man diese Gruften sonst schnell verschließt. Hier stehen sie offen, auch wenn sie mittlerweile mit Holz und Laub verfüllt worden.

Der Rabe auf der Totenschänke

Wie ihr vielleicht schon bemerkt habt, sitzt auf dem Bild von Damals und Heute ein Rabe in fast identischer Pose auf der Totenschänke. Auch als ich damals auf dem Wolfgang-Friedhof nebenan um herging und die alten Gräber studierte, krächzte mich ein Rabe mit weit offenem Schnabel an. Ohne Scheu setze er sich immer wieder vor mir auf verschiedene Gräber, vornehmlich auf diese, deren Gruft aufgebrochen war. Wollte er diese beschützen oder bewachen?
In alten Volks- und Aberglauben-Geschichten wird der Rabe auch als Wegweiser für verirrte Wandersleute genannt. Doch hatte ich mich wirklich verirrt, oder wollte er mir einen Hinweis auf etwas geben? Auch nachdem ich mich in Richtung Ausgang bewegte, flog der Rabe mir hinterher und setzte sich nach meinem Verlassen des Friedhofs auf die alte Totenschänke. Ein Hinweis?
Vielleicht können wir es uns so erklären. Der ehemalige Besitzer der Totenschänke, Karf Fuchs, wurde einst auf dem Wolfgang-Friedhof beerdigt. Nachdem das Grab nicht mehr gepflegt wurde und verwilderte, zog seine Seele in Form eines Raben hinaus in die Welt der Lebenden. Der Hinweis, dass sein Grab verwilderte, veranlasste ihn dazu, da womöglich niemand mehr in der Nähe wohnte und somit keiner mehr auf die Alte Schänke aufpasste. Heute ist Der Rabe Wächter und Beschützer des Wolfgang-Friedhof und seiner Umgebung.