Auf der Suche nach alten Gemäuern und Geschichten verschlug es uns am letzten Sonntag nach Niederschlesien. Das alte Land an der Neiße verbirgt noch so viele alte Erzählungen, weshalb dieser Ausflug sicher nicht der letzte war. Aber vor allem auch die Landschaft der polnischen Oberlausitz, die urig und naturnah wirkt, hat es uns hier sehr angetan.
Nicht weit von der Deutschen Grenze und Görlitz, entdeckte ich bei der Ausflugsplanung in Google-Maps einen größten Teil verfallenen Gebäudekomplex, der den polnischen Namen Pałac Łomnica trug. Auf der circa 2-stündigen Fahrt dorthin machten wir zwischendurch noch Halt am Schloss Radibor bei Bautzen, am Berzdorfer See und am Stift Joachimstein im heutigen Radomierzyce in Polen. Auch über diesen Ort könnte man viele Seiten voll schreiben, aber bleiben wir erst einmal bei dem Alten Schloss in Lomnitz, was für mein Empfinden eine ganz besondere Atmosphäre versprühte.
Schon der Fußweg zum Schloss, der links von uns einen verwachsenen See mit viel Schilfrohr und rechts von uns einen Wald mit vielen alten Bäumen säumte, passte perfekt in das kommende Ambiente. Überaus verwundert waren wir, als im Schlosshof laute, polnische Musik ertönte. Ein Nebengebäude, was den Verfall noch irgendwie überstand, war noch bewohnt.
Das Schloss und seine weiteren Nebengebäude sind in einem schlechten Zustand und zum Teil komplett verfallen. Im Schloss selbst verhinderten eingestürzte Decken im Treppenhaus das Betreten und weitere Erkunden, obwohl die Haupttür weit offen stand. Ein beißender Geruch aus verbranntem Gebälk stieg uns ebenfalls in die Nase. Wir führten unseren Rundgang deshalb außerhalb fort.
Doch wer jetzt denkt, dieser äußerliche Rundgang wäre nicht interessant, irrt gewaltig. Das alte Gemäuer schmiegt sich außerordentlich morbide harmonisch in die „ungepflegte“ Landschaft. Der Verfall und das lange Nichtstun bewirkt wieder diesen wechselseitigen Gedanken aus Wehmut und wilder Schönheit, die ohne das Nichtstun nicht entstanden wäre.
Unser Weg führte uns weiter in den alten Schlosspark des ehemaligen Anwesens. Hier versuchte ich krampfhaft einen Blick auf das gesamte Schloss zu erhaschen, was mir durch das viele Gestrüpp und Geäst nicht gelang. Währenddessen wies Nicole auf ein kleines Gebäude mitten im Park hin, der mittlerweile eher einem Urwald statt Schlosspark ähnelte. Das kleine Gebäude, was ein schönes Sandsteinportal verbarg und mit durch schillernd spielendem Waldlicht beleuchtet wurde, entpuppte sich im Nachhinein als Mausoleum der ehemaligen Besitzer. Für uns wirkte es wie ein Portal in eine andere, magische Welt.
Im Schloss Lomnitz wohnte nämlich einst die Familie Schimmelpenning. Ein niederländisches Adelsgeschlecht, welches hier im 19. Jahrhundert residierte. Baron Hans Schimmelpenning von der Oye starb 1849 und wurde im benannten Mausoleum begraben. Die Geschichte um die nun allein lebende Baronin vom Schimmelpenning möchte ich Euch hier kurz und frei erzählen.
Der Mord an der Baronin von Schimmelpenning
Nach dem Tod ihres Gatten organisierte die Baronin das gesamte Anwesen und die umliegenden landwirtschaftlichen Arbeiten selbst. Da ihr Ehemann Hans vor seinem Tode die Gartenarbeiten immer selbst verrichtete, brauchte die Baronin Unterstützung und suchte durch eine kleine Anzeige an den Ortstafeln der umliegenden Dörfer nach einem Gärtner, der die nun schon etwas heruntergekommene Gartenanlage wieder in ihre ehemalige Pracht versetzt.
Auf die Anzeige meldeten sich viele interessierte Bürger, vornehmlich aus den ärmeren Bauernfamilien der Umgebung. Da das Interesse groß war, ließ die Baronin an einem Wochenende vorsprechen. Weil einige der Bewerber selbst einen Tagesmarsch zum alten Schloss machen mussten, ließ die Baronin für die Angereisten mit der größten Entfernung ein paar Gemächer für die Nacht zurechtmachen.
Was die Baronin nicht wusste. Unter den Bewerbern war der schon im Umland bekannte Betrüger und Räuber Berthold, der mit seiner Bande einen düsteren Plan schmiedete.
Als die Nacht am und im Alten Schloss Lomnitz anbrach, die Bediensteten ihre Gemächer aufsuchten und die letzten Kerzen erloschen, schallte ein leises Pfeifen über den Schlosshof von Lomnitz. Die Baronin, die noch einen Brief ihrer Schwester leise vorlas, vernahm dieses Pfeifen sehr wohl, dachte aber dabei sofort an die Alte Eiche im Hof, in der die jungen Käuzchen ihre abendlichen Gesänge beim Raufen abhielten.
Der Pfiff war aber kein junger Waldkauz, sondern der Startschuss für das räuberische Treiben der Bande um Berthold, dessen Gefolge vornehmlich in den Pferdeställen untergebracht waren. Und diese machten sich jetzt auf ins Schloss, um dort nach Wertgegenständen zu suchen. Dabei wurden sie schnell fündig und jeder der Räuber packte so viel in seine Taschen wie er tragen konnte.
Berthold, der Anführer dieser Bande, wollte die Gemächer der Baronin nicht auslassen, weil er dort die wertvollsten Schmuckgegenstände vermutete. Da der nicht ganz dumme Räuber am Tag bemerkte, dass die große schwere Türe zum Gemach der Baronin sehr laut beim Öffnen knarrte, stieg dieser geschickt über den alten Efeu bis zum offenen Fenster der Baronin. Sein räuberischer Instinkt hatte ihn nicht getäuscht. Er fand viele gut gefüllte Schatullen, in denen nicht nur Schmuck, sondern auch Gold, Silber und Edelsteine aufbewahrt wurden.
Auch seine Gefährten machten in den Nebenzimmern und dem großen Saal gute Beute. Einer der Diebe stopfte sich die Taschen so voll, dass ihm anfing die Hose zu rutschen. Während er diese festhalten wollte, fiel ihm ein großer silberner Teller zu Boden. Das blecherne Geräusch breitete sich im gesamten Schloss aus. Die Baronin riss erschrocken die Augen auf. Als das Berthold bemerkte, legte er schnell die Hand auf den Mund der Baronin. In seiner nun aussichtslosen Lage erwürgte er die Baronin mit bloßen Händen und floh mit einem Pferd in das umliegende Land.
Wochen später, die Familie hatte eine Belohnung von 300 Thalern auf den Mörder ausgesetzt, wurde Berthold in Görlitz geschnappt. Er hatte beim Verlassen der Gemächer über das Fenster ein Teil seines verschlissenen Schuhs verloren, was zur Ergreifung des Täters geführt haben soll.
Die Geschichte ist ausgeschmückt. Die Baronin Maria Schimmelpenning wurde jedoch wirklich im Jahr 1852 von dem Gärtner B. in ihrem Schlafzimmer auf Schloss Lomnitz erwürgt. Wer mehr zur Geschichte um das Schloss erfahren will, hier ein Artikel aus der SZ aus dem Jahr 2014.
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Quelle aller alten Bilder: polska-org.pl