Schon oft fuhren wir an dem alten, längst verlassen Gasthof vorbei. Er wirkte meist uninteressant, weil alle Fenster und Türen zugemauert waren und deshalb oft das Licht zum Fotografieren fehlt, auch wenn man natürlich mit Taschenlampen nachhelfen kann. Und überhaupt wird das, rein vom optischen Eindruck her, keine große Schönheit werden. Wie viele andere Gasthöfe fällt auch dieser irgendwann in sich zusammen und es kräht trotz des Aufmerksam machen durch melancholische Bilder kein Hahn mehr danach.
Hier dürfte das vielleicht etwas anders verlaufen. Im Inneren des Gasthofes angekommen, wunderten wir uns, warum überall alte Band-Poster und Plakate herumlagen. Knorkator, die Zöllner, Fiddlers Green, Atrocity, Das Ich, Crematory. Um nur einige wenige zu nennen. Dazu alt bekannte DDR-Musiker und Bands wie Rio Reiser, Stern Combo Meißen, Elektra, Reinhard Lakomy usw.
Natürlich glaubten wir zu diesem Zeitpunkt nicht, dass all diese Bands hier wirklich gespielt haben. Die nachträgliche Recherche holte dann aber noch einen richtigen Hammer hervor. Die damals völlig unbekannte Band Rammstein gab hier 1994 ihr 6. Konzert auf ihrer ersten Tour. In diesem alten Saal begann sozusagen die Karriere der heute weltbekannten, und teilweise auch umstrittenen Band.
Interessant wären hier natürlich Aufnahmen von damals, aber warum sollte man 1994 beschwerlich eine unbekannte Band in einem Dorfgasthof auf Video aufnehmen?
In dem alten Saal, der sich nachträglich als ein wahres Schmuckstück herausstellte, hat, wenn man in der Mitte auf dem Parkett steht und sich die alten Poster anschaut, diese gewisse Aura. Wer Atrocity, Das Ich oder auch Rammstein von früher kennt, wird wissen, was ich meine, auch wenn die Bands teilweise unterschiedlich sind. Ich vermisste hier eigentlich noch ein altes Poster von Eric Draven aus The Crow an den alten Wänden, denn genau diese Atmosphäre wirkte in diesem alten, teilweise schon verfallenem Saal, so wie man sie auch aus dem Film kennt.
Das bedeutet vor allem eine äußerst düstere Stimmung. In Kombination mit dem Verfall des alten Saals, dazu seine einst belebte Geschichte, kommt noch Wehmut dazu. Allerdings bin ich noch zu jung, um dort zu Zeiten von Rammstein oder Atrocity gewesen zu sein. 5 Jahre eher geboren, wären wir dort bestimmt auch zugange gewesen.
Neben dem Saal gab es natürlich noch eine Gaststube und eine Art Ladenlokal. Eine Wohnung ist ebenfalls vorhanden, jedoch in einem erbärmlich zerstörten Zustand, jedoch mit vielen persönlichen Dingen, vor allem, was die Musikgeschichte des Gasthofs anbelangt. Der Stil und die Einrichtung erinnert zum größten Teil an die ehemalige DDR und hat den typischen Zonen-Charme.
Als Anmerkung möchte ich noch zuletzt hinzufügen, dass ich hier keinen großen Umstand machen werde, um den Ort zu verschleiern. Der Gasthof steht offiziell in einer Lost Place App und seine Geschichte gehört auch vernünftig genannt.
Ich kann mir vorstellen, dass jemand von Euch damals dort gewesen ist und das Tanzbein, oder den ein oder anderen Headbang, geschwungen hat. Erzählt gern davon in den Kommentaren!
