Heute möchte ich euch auf eine geheimnisvolle Foto- und Entdeckungstour mitnehmen. Und zwar werden wir die oft erwähnte Zündholzfabrik in Meißen Cölln besuchen.
Es ist 10 Uhr morgens. Der Wind weht kräftig durch die vom Laub befreiten Bäume auf dem Weg zur alten Zündschnurenfabrik. Man durchquert schon hier geschichtsträchtiges Gelände und zwar das der Teichert-Werke. Ich bin hier öfters unterwegs. Wildtiere wie Fuchs, Reh und Dachs haben sich auf dem alten Firmengelände, was teils als Halde für Bauschutt genutzt wird, gemütlich gemacht und meine Hündin Shiba ist schon oft im Dickicht wegen einem Reh verschwunden.
Als ich ihr dabei einmal in den Wald folgte, stand ich plötzlich vor einem völlig überwachsenen Erdhügel, der oben eine Art Antenne besaß. Ich ging einmal ringsherum und entdeckte einen Eingang, der mit zwei schweren Stahltüren bestückt war. Man hätte meinen können, es sei ein alter Bunker. Aber diese Art von Bunker war nicht alles. Gar nicht weit entfernt waren eine Reihe von Gebäuden zu sehen, welche vor allem durch ihre roten Ziegel auffielen und einige Teile davon schon stark zerfallen waren. Ich beschloss, den Hund Heim zu schaffen und eine Erkundungs-Tour zu starten.
Die Expedition beginnt
Ich ging also nochmals, diesmal aber mit Kamera und Stativ bestückt, zu dieser Fabrik zurück. Auch jetzt heulte wieder der Wind durch die kahlen Bäume. Kennt ihr das Geräusch, wenn zwei Bäume nah beieinander stehen und sich aneinander reiben, wenn starker Wind weht? Dieses Knarren und quietschen. Wenn man dabei noch vor so einer alten Fabrik steht, macht das schon einen merkwürdigen Eindruck. Drinnen angekommen ergibt sich natürlich ein Bild des Verfalls und der Zerstörung. Sicher auch durch mutwillige Zerstörung.
Es scheint aber so, als gäbe es einen neuen und alten Teil. Ein Ziegelhaus, welches auch vom Steinweg aus zu sehen ist, weißt fast gar keinen Zerfall auf, wohingegen andere Teile nicht mehr betretbar sind. In dem noch gut erhaltenen Teil scheinen sich einst Chaoten bei Bier und anderen Drogen getroffen zu haben. Plötzlich höre ich leise Schritte über mir. Es klingt wie ein Tier, was über mir auf dem Dachboden entlang läuft. Ich breche die Tour ab, da ich mir nicht sicher bin, ob nicht doch irgendwer hier haust und sein Unwesen treibt. Ich werde aber später nach ersten Recherchen im Internet die Tour fortsetzen.
Nach was suche ich aber im Internet? „Alte Fabriken in Meißen Cölln“ ist mein erster Anlauf. Dabei stoße ich auf eine Seite der Verwaltungsgeschichte Sachsens und einer Stadtbeschreibung von Meißen nach Neumann um 1894. Dort wird beschrieben, welche Fabriken, Gelehrten und Kirchen sich in Meißen befanden. Leider waren das so einige Fabriken und ich konnte mir keinen Reim machen, was einst dort hergestellt wurde. Ich beschloss eine weiter Tour durch die alten Gemäuer, auch wenn die Schritte über mir auf dem Dachboden noch nicht vergessen waren.
Der 2. Anlauf
Ich ging gleich direkt an den Ort zurück, wo ich die Schritte vernommen hatte. Im Treppenhaus machte ich eine komische Entdeckung. Hier stehen drei Figuren auf der Treppe und komische Zeichen an der Wand. Hier müssen also Menschen gewesen sein. Auf dem besagten Dachboden fand ich Tierkot. Wahrscheinlich Marder oder Siebenschläfer. Vermutlich hab ich dieses Tier das letzte Mal gehört.
Ich erkunde das Gebiet weiter und stoße erneut auf eine Stahltür, welche aber mit einer Kette und einem Vorhängeschloss verschlossen zu seien scheint. Aber halt. Das Schloss ist nicht zugeschnappt und die Tür somit offen. Ich betrete einen stockdunklen Raum, an dessen Wänden Holzdielen angebracht sind. Auf diesen befindet sich jetzt nicht wirklich ein weiß aufgemalter Totenkopf? Doch!
Schreck lass nach. In der Mitte des Raumes, direkt unter dem Totenkopf, steht noch eine Art Altar mit einer Holzschachtel drauf. Was geht denn hier ab, dachte ich mir und wollte nun natürlich wissen, was in dieser blöden Schachtel ist. Aber was soll der Mist mit dem Schloss vor der Tür, dem Totenkopf und dem Altar? Na gut, die Neugier ist größer als die Angst und ich öffne die Holzschachtel. Zum Glück springt mich nichts aus der Schachtel an. In ihr befindet sich ein kleines Buch und eine Beschreibung. Da steht irgendetwas von Geo-Caching und Zündholzfabrik. Und es macht bei mir sofort Klick. Das Geo-Caching Zeug, also dieses Abenteuererleben nach Koordinaten, interessiert mich weniger, erklärt jedoch diese merkwürdigen Figuren und Zeichen an vielen Wänden auf dem Gelände.
Mich interessiert nun, was es mit dieser Zündholzfabrik auf sich hat. Einige Räume sehen aus wie kleine Werkshallen. Auch der „Bunker“ könnte irgendetwas mit feuergefährlichen Stoffen zu tun haben. Wurden hier einst die fertigen Zündhölzer gelagert und diente dieser Raum als Schutzwall? Irgendwie auch ein merkwürdiger Gedanke, denn der Bunker war nicht wirklich groß. Auf jeden Fall wird es jetzt schon interessanter. Wer hat hier gearbeitet und was wurde hergestellt? Da muss man doch etwas im Internet finden.
Ausführliche Recherche im Internet beginnt
Im Internet stoße ich sofort auf ein Geo-Caching Forum und auf genau diesem Cach, wo der Totenkopf lauerte. Nur leider finde ich wenig Anhaltspunkte zu der Geschichte dieser Fabrik, außer das dies eine Zündholzfabrik gewesen sei. Merkwürdig: Wie viele Geo-Caching Punkte es in Meißen gibt. Die weitere Recherche im Internet bleibt erfolglos. Unter dem Suchbegriff „Zündholzfabrik Meißen“ ist lediglich dieses Ceocach-Forum zu finden, sonst nichts. Doch dabei denke ich an die Webseite mit der Beschreibung der Stadt Meißen von 1894 zurück. Mal sehen, ob da nicht irgendetwas über Zündholzer stand. Und siehe da, da steht wirklich etwas. Jedoch nicht über Zündhölzer, sondern über Sicherheitszünder. Aber was sind denn nun schon wieder Sicherheitszünder? Ich befrage erneut Google mit dem Suchbegriff: „Sicherheitszünder Meißen“ und erhalte wieder wenige Treffer.
Doch ich sollte Glück haben. Der erste Treffer verwies mich sofort auf die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden und ich bekomme auch gleich ein altes Bild mit angezeigt, welches mit: „Sicherheitszünder-Fabrik von Bickford u. Co. in Meißen“ beschriftet ist. Hochinteressant, jedoch zeigt das alte Bild sicher nicht Meißen Cölln.
Nach Eingabe von : „Sicherheitszünder-Fabrik von Bickford u. Co. in Meißen“ bei Google stoße ich nach energischem Suchen auf ein altes Buch als PDF: Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie – Jahrbuch des Vereins deutscher Ingenieure – herausgegeben von Conrad Matschoss Berlin 1914/15 – wieder hoch interessant. Ich öffne die PDF und gebe in die Suche Meißen ein. Der darauffolgende Treffer in dem Buch war hoch interessant, hatte aber noch nichts mit unserer Zündschnürfabrik in Meißen Cölln zu tun. Der erste Zusammenhang mit Meißen dreht sich jedoch sofort um Sicherheitszünder, welche sich natürlich als Zündschnüre herausstellten und für die Sprengung in Bergwerken und Steinbrüchen benötigt wurden. Da das Patent um 1831 in England an William Bickford zu Tuckingmill in Cornwall ausgestellt wurde, sollten auch einige Fabriken in Deutschland erbaut werden.
Nach viel theoretischem Stoff über Sicherheitszünderfabrikationen, was mich eigentlich überhaupt nicht interessiert, aber leider immer wieder irgendwie mit Meißen als Suchwort in dem Buch auftauchte, stieß ich auf den Absatz: „Die erste Deutsche Sicherheitszünderfabrik zu Meißen im Königreich Sachsen“
Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit. Wird das unsere genannte Zündholzfabrik in Meißen Cölln sein? Fast unmöglich, da dies verdammt lange her wäre. Und nach weiterem lesen war sie es auch nicht. Die erste Sicherheitszünderfabrik entstand um 1844 im Goldgrund im Triebischtal, welche auch auf dem oben gezeigten alten Bild gut zu sehen ist.
Doch noch war das Buch nicht bis zum Schluss durchforstet. Ich gab den Suchbegriff „Cölln“ in die Suche ein und dann offenbarte sich das lang versteckte Geheimnis rund um die „Zündholzfabrik in Meißen Cölln“. Um 1891 gab es nicht nur die Fabrik im Goldgrund, sondern noch zwei weitere Fabriken in Meißen. Die vereinigten Fabriken englischer Sicherheitszünder im Drosselgrund und die Fabrik von Brücker und Zinke in Cölln bei Meißen. Endlich ist das Geheimnis gelüftet.
Schlusswort
Auch der vermeintliche Bunker dürfte nun zugeordnet werden können. Dieser dürfte ein Pulverhäuschen darstellen, wo das Schwarzpulver für die Zündschnüre gelagert wurde. Wie lange die Gebäude noch in DDR-Zeiten genutzt wurden scheint unklar. Auf jeden Fall wurden Teile der Gebäude teils saniert, da sie selbst heute noch in einem guten Zustand sind und neumodische Elektrogeräte enthalten. Viele alte Gebäudeteile der Zündschnurfabrik sind jedoch schon fast verfallen und ich rate niemandem, dass Gelände zu betreten. Es gibt viele teils eingestürzte Decken und Dächer.
Irgendwann wird diese alte Fabrik wohl nicht mehr existieren, weshalb ich diesen ausführlichen Artikel darüber verfasst habe. Es ist kaum etwas im Internet über die Zündschnurfabrik aus Meißen Cölln zu finden. Zum Abschluss zeige ich euch noch einige Funde aus dem Gelände, die mir interessant erschienen. Ich bin mir sicher, dieser Ausflug hat vielen Spaß gemacht. Wir lesen, sehen oder hören uns.
Interessante Funde
Wer hat eigentlich im Zusammenhang mit Sicherheitszünderfabrik hier irgendwie das „…holz…“ eingeführt. Vielleicht weil so etwas früher ‚mal auf den Streichholzschachteln stand (Sicherheitszünder)? Also hier in Meißen waren keine Zündholzfabriken (Streichholz-Herstellung), sondern Zünderfabriken (Herstellung von Zündschnuren). (Sicherheitszündschnuren zur Entzündung von Sprengladungen in Bergwerken, Steinbrüchen, bei Eisenbahn- und Hafenbauten usw.)
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Und zwar gab es mehrere davon, ich habe hier nur Beispiele:
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Bickford & Co. im Goldgrund (1844), das war englisch, 1917 Liquidation als Feindunternehmen;
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im Drosselgrund, 1864 Langhoff & Co., Fertigung von Zündschnüren für Sprengarbeiten, 1866 „Fa. Henry Eales & Co. Zündschnürenfabrikation“;
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Brücker & Zinke, gegründet 1865 am Steinweg in Cölln;
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1872 nimmt Ernst Luis Schumann am Riesenstein die Fertigung von Schnüren, Drähten und Zündschnüren auf.
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Vier hiesige Fabriken zur Herstellung von Sicherheitszündern wurden 1872 zu einer Aktiengesellschaft zusammengeschlossen, diese führte seit 1915 die Firmenbezeichnung „Vereinigte Zünder- u. Kabelwerke, A.-G.“. Unter anderem daraus ist später das Kabelwerk entstanden; am Riesenstein, an der heutigen Niederauer Straße (eine Nebenstraße wurde damals Kabelstraße und dann Riesensteinstraße genannt). So wurden aus den Zündschnüren, Zündkabeln usw. allgemeine elektrische Kabel.
So einen Beitrag über die geheimnisvolle Zündschnurfabrik finde ich „sehr gut“ für die Ortsgeschichte. Ich war als Kind und Jugendlicher dort in der Nähe 1963-1991.
Beachte die richtige Schreibweise: Brücker & Zinke;
Irgendetwas habe ich noch in Erinnerung, daß dort in DDR-Zeiten Mitarbeiter der Handelsorganisation HO (Verkäuferinnen) zum Mittagessen gingen.
Hallo ,
Gestern alles weg – schade um Natur und Anwohner.
VG, St. Petermann
Danke Uwe für die weiteren Infos und die Korrektur 🙂
Zu DDR-Zeiten befand sich in dem noch gut erhaltenen Gebäude, welches vom Steinweg sichtbar ist und iin einigen kleineren Nebengebäuden die Konsum-Buchungsstation Kreis Meißen. Später in OAZ (Organisations und Abrechnungszentrum) umbenannt. Selbiges war ganz bestimmt bis 1985 in Betrieb.
Außerdem gab es noch eine Außenstelle oder Lager der Schädlingsbekämpfung auf dem Gelände.
In einem der Gebäude war auch noch eine Wohnung die ebenfalls bis mindestens1985 bewohnt war.
Und dann sollte man noch erwähnen, was für eine gefährliche Arbeit das war. Ich erinnere dabei an das verherende Explosionsunglück bei Bickford & Co. im Goldgrund, am 9. Februar 1875. Dabei waren 15 Opfer, ausschließlich Frauen, zu beklagen. Ein Obelisk auf dem Stadtfriedhof in der Nossener Straße erinnert noch heute an das Unglück.
Gruß Numismaticus
Huhu ich hab mal ne frage, wo genau soll sich denn die zündschnur fabrik in meissen cölln befinden?
Diesen Beitrag habe ich mit großen Interesse gelesen. Von 1950 bis 1953 war ich als kaufmännicher Lehrling dort beschäftigt. Ich habe Vollbeschäftigung(ca. 200 ,Mitarbeiter) in 3 Schichten bis zur Stilllegung erlebt. Mir hat es dort sehr gut gefallen. Die Firma gehörte Frau Zinke und deren Schwägerin . Ab 1952 wurde im Kali- und Uranbergbau auf elektrisches „Schießen“ umgestellt, so daß kein Zündschnurbedarf mehr bestand. Der Betrieb wurde 1953 abgewickelt und die Gebäude an den Konsum vermietet Ich bin dann zur ABF der TH Dresden gegangen, um das Abitur zu erhalten. Anschließend habe ich Chemie studiert . Mit dem ehemaligen Hauptbuchhalter hatte ich bis zu dessen Tod noch Verbindung. Mein jetziges Wissen ist die Erinnerung – Unterlagen sind mehr nicht bekannt.
Ich bedanke mich für Ihren Bericht, der meine Meißner Zeit mir sehr nahegebracht hat.