Meißen: Erst Hochwasser gucken und dann auf den Wintermarkt

Eine kleine, satirische Jahresendansprache

Meißen hatte um die Weihnachtszeit einiges zu bieten. Nachdem der erfolgreiche Meißner Weihnachtsmarkt nach dem 24. Dezember in den Wintermarkt übergangen war, kam noch ein weiteres Ereignis hinzu, und zwar ein Hochwasser.

Demnach wurde der Weihnachts-Familienausflug sinnvoll geplant. Erst Hochwasser gucken und dann auf den Wintermarkt Bratwurst essen und Glühwein trinken, vielleicht gab es auch noch ein Lebkuchenherz oder Crêpes für das Kind.

Andere Eltern hingen an den Ausflug noch eine kleine Planschparty mit den Kindern in der Elbe hinten dran. Bei den milden Temperaturen bekamen die Kinder ein Paar Gummistiefel an und fertig war der Badespaß für lau.

Insgesamt ist ja so ein Hochwasser was ganz Normales, weshalb die Elbbrücken auch so voll sind und jeder nachsehen will, was die Elbe schon so alles verschluckt hat. Danach geht es wieder Heim in die warme Stube, wo es gemütlich und trocken ist.

Vielleicht enttäusche ich Euch jetzt und einige Hochwassertouristen gehören sicher mal an den Füßen gehalten in die Elbe getaucht, aber warum sollte ich als Meißner nicht nachsehen gehen, wie hoch die Elbe in meiner Stadt gestiegen ist? Warum sollten Menschen danach nicht auf den Wintermarkt gehen, wenn der Pegel nicht gefährlich hochsteht?

Soll ich Euch was Schlimmes verraten? Damals zum Hochwasser 2002 sind wir als Jugendliche illegal mit dem Schlauchboot über den Platz an der roten Schule gepaddelt. Da wären ein paar Planscher mit Gummistiefeln im seichten Wasser, unter Aufsicht versteht sich, wirklich sinnvoller gewesen.

Natürlich kann ich die zuständigen Behörden voll verstehen. Wenn was passiert, sei das Hochwasser noch so „normal“, dann will es wieder keiner gewesen sein und nur die da oben haben Schuld. Die Verantwortung gibt man gerne ab, schimpft dann aber auch wieder gerne über fehlende Freiheiten und der Einschränkung dieser.

Am Elbstrom sollten Eltern jedoch immer vorsichtig sein. Selbst bei Niedrigwasser kann die Strömung gefährlich werden. Jedoch sollten wir uns vor der Natur nicht zu sehr verstecken. Gefährlich wird es eher, wenn Kinder überhaupt keine Verbindung mehr zur Natur aufbauen und selbst nicht mehr einschätzen können, ob etwas gefährlich ist, oder nicht.

Denn dann wird schwarz/weiß denken salonfähig und Naturgewalten werden unterschätzt, oder eben völlig überschätzt. Der Mittelweg ist immer gut, auch wenn ich der Ansicht bin, dass die Natur uns weniger schadet, als wir uns Menschen selbst gegenseitig Schaden zufügen. Von dem Schaden an der Natur durch uns Menschen ganz zu schweigen. Denn wäre die Natur wirklich nachtragend, dann hätten wir Menschen schon ernstere Probleme.

Dabei klingt es in letzter Zeit fast so, als wäre die Natur unser Feind und hätte in unserer Kulturlandschaft nichts zu suchen. Der Wolf schleicht wieder durch die Wälder und wagt es, in unsere Nähe zu kommen. Oft wirkt es erst so, die Natur als alter Meister von Werten und Traditionen sei mehr denn je geschätzt. Außer sie erscheint uns überlegen oder ebenbürtig. Dann ist schnell Schluss mit blonden Blumenmädchen und mythologischer Naturromantik.

Copyright: Mario Trampenau


Der gefräßige Wolf, der nicht wie wir brav und gesittet den Lidl aufsucht, und für sein Schnitzel hart arbeiten geht, ist gefürchteter alles andere. Ein Wolf in den Wäldern wühlt dann doch den alten Glauben an die Märchenerzähler auf, die heute in wilden Berglöwenkostümen ihre Schafe in Angst und Schrecken versetzen.

So hat man sich zu meiner Zeit in der Schule über das Märchen das Rotkäppchen lustig gemacht, so ist es heute gängiger Input bei denen, die sonst der Natur gerne ihren freien Lauf lassen möchten und von natürlicher Auslese reden, falls der politische Output passt.

Wir müssen alle ehrlich mit uns sein. Natur ist hinderlich und nicht fortschrittlich. Sie passt nicht in unser Konzept aus unfreiwilliger Langeweile, wenn mal ein Hochwasser den Strom, oder den Weg auf die Arbeit wegnimmt. Die Langeweile, die Unmut in uns selbst aufkommen lässt, ist schon so bedrückend und gefürchtet genug.

Die Natur ist nicht zähmbar und deshalb nicht erwünscht, auch wenn wir selbst gerne davon träumen, unzähmbar zu sein, um selbst mal über die Ufer zu treten. Vielleicht ist es auch der Neid auf die Natur, die scheinbar wie ein wildes Tier, ungestüm und im Blutrausch wie der Wolf, alles zerfetzt und auseinanderreißt, was ihr unterlegen und essbar erscheint, während es nach oben keinen natürlichen Feind mehr gibt. Das können wir scheinbar nicht ertragen, dass dies ein Tier einfach so macht, auch wenn wir ihm durch Zäune und Beton erst die Bedingungen dafür stellen.

Wir als Spezies Mensch sind dabei fein raus. Auch wenn immer wieder von härteren Strafen gegen Kriminelle gefordert werden, und dies vielleicht teilweise auch gar nicht unbedingt so unangemessen wäre, wird der Mensch an sich immer noch als zivilisiert wahrgenommen. Ich mein, wie würde das auch aussehen, wenn plötzlich viele fordern, wir müssten die Spezies Mensch dezimieren, weil diese viel zu viele sind und insgesamt viel zu viele Ressourcen verbrauchen, ungefragt andere Lebewesen fressen und in deren Lebensraum eindringen, oder diesen sogar zerstören?

Die Relation um die Wahrnehmung des eigenen Seins ist uns völlig verloren gegangen. Aber warum? Weil wir vermeintlich über den Dingen stehen und Wehmut klagen, wenn diese Waage auch nur augenscheinlich in die falsche Richtung geht. Weil unsere heile Welt vielleicht gar nicht so heil ist und unser Sein nur sehr kurz andauert, aber diese Zeit als etwas Großes, herausragendes, nie endendes Abenteuer in unsere Köpfe gezeichnet wird. Wer dieses Abenteuer nicht beschreitet, oder nicht ansatzweise in seine Fußstapfen tritt, ist merkwürdig, anders, eigen und irgendwie nicht von dieser Welt.

Und das kann man den Menschen auch gar nicht unbedingt absprechen. Sie werden ja so erzogen. Es gibt vermeintlich nichts, was uns Menschen etwas anhaben kann, oder?

Vielleicht lehnen wir uns etwas zurück und nehmen uns allgemein etwas den Wind aus den Segeln, wenn wir uns nicht mehr als so wichtig ansehen. Wir sind doch keine Roboter, denen, wenn das Material an uns verschlissen ist, ausgetauscht wird und wir wieder einwandfrei funktionieren. Medizinisch ist da vielleicht schon vieles möglich, aber die Energie, die Stärke der Jugend, fehlt und vergeht. Und das hat auch seinen Sinn und ist überhaupt nicht schlimm.

Allenfalls nehme auch ich das alles völlig falsch wahr. Es ist vielleicht sogar eine Laune der Natur, dass der Mensch so ist wie er ist und seine Muttererde als Endgegner sieht. Damit ist vielleicht gesichert, dass wir eben irgendwann doch nicht zu viele werden und alles wird wieder auf Anfang gesetzt und beginnt von vorn.

Um zum Abschluss noch mal zurück auf unser Weihnachtshochwasser zukommen. Es wünscht sich niemand überflutete Häuser, oder wünscht anderen Menschen Leid. Nein. Trotzdem sind Naturgewalten eine faszinierende Kulisse, die wie ein spannender Kinofilm über die Leinwand flimmern. Die ungebändigte Natur, die uns in Angst und Schrecken versetzt, obendrein dann doch so extrem fasziniert, weil wir gerne so wären wie sie.

Und was machen wir zum Abschluss des Jahres 2023? Wie das ganze Jahr über, lassen wir es laut und für Millionen krachen, um uns am nächsten Morgen wieder mit dicken Weihnachtsbäuchen aufzuregen, wie schlecht es uns doch geht und das wir immer weniger Geld übrig haben. Als wäre das Jahr nicht laut und hektisch genug, muss der Jahreswechsel ungehemmt in wilder Knallerei ausarten. Nichts gegen ein feines Feuerwerk, was bunt leuchtend am Himmel tanzt und das Herz erwärmt und die bösen Geister vertreibt.

Aber das wilde Böllern, das im jetzt erst recht Rausch ausartet und nur dazu dient, um den anderen die Sandburg zu zerstören, wirkt halt irgendwie kindisch trotzig. Vielleicht ist es aber auch dazu da, schnell die Besinnlichkeit der Weihnachtszeit zu vertreiben, weil die Langeweile über die Feiertage tiefe Wunden reißt. Weil die heimische Atmosphäre heuchelt und das familiäre Zusammensein, was moralisch fest verankert ist und vollzogen werden muss, im mehr Schein als Sein untergeht und der ungezähmte Wolf in uns morgen wieder im Internet die Revolution ausrufen lässt.

Am 1. Januar 2024 setzen wir wieder alles auf 0 und alles geht von vorne los. Die Angst, der Trotz, die Suche nach dem Sinn des Lebens und der Liebe, der Rausch, die Trauer und die Glückseligkeit.

Ich wünsche Euch allen ein gesundes und glückliches neues Jahr 2024. Vielen Dank an alle Unterstützer jeglicher Art. Vielen, vielen Dank!

p.s.: nehmt den Text bitte nicht allzu ernst 😉

Hochwasser in Meißen im Dezember 2023

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