Keine Straße führt zu diesem verwunschenen Ort. Auf weiter Flur befinden sich Felder, Pferdekoppeln und ein Bachlauf, der ein Tal durchzieht und diesem, wie so oft, damit auch seinen Namen gibt. Der Weg dorthin ist schon abenteuerlich, aber schön und einsam, denken wir uns. Ein Blick nach oben zeigt einen Felsen, auf dem sich unser Ziel befinden soll.
Auf dem Feldweg, den wir mehrere hundert Meter beschritten haben, kommt eine kleine Abzweigung, die ganz minimal eine ehemalige Einfahrt vermuten lässt. Das Gras ist hochgewachsen, das Wetter leicht schwül drückend, Vogelgezwitscher begleitet unseren Weg. Rechter Hand von uns ist eine alte Streuobstwiese mit einer Viehtränke bestückt. Demnächst stehen hier sicher wieder Rinder oder anderes Nutzvieh, wenn irgendwo eine andere Wiese kahl gefressen ist.
Etwas beschwerlicher gehen wir durch hohes Gras und Gestrüpp, welches teilweise durch Dornen unterwandert ist und uns deshalb das ein oder andere: „Aua“ entlockt. Wir sind uns immer noch nicht wirklich bewusst, was uns erwartet. Bis jetzt ist außer Bäumen und anderem Grünzeug nichts zu sehen.
Bis plötzlich und gar nicht so weit entfernt, leuchtend rote Mauerreste im dichten Grün auftauchen und Bäume und Sträucher eine Art Portal zu einem Innenhof formen. Im ersten Moment könnte man fast glauben, wir sind im Dschungel und man entdeckt so eine Art Tempel im Nirgendwo.
Natürlich ist das Objekt kein Tempel. Das alte Herrenhaus scheint nur noch ein Schatten seiner selbst und die Natur zeigt uns hier ausdrücklich, wer das Regiment übernommen hat. Stallungen und andere Nebengebäude sind eingefallen und es stehen nur noch die Grundmauern. Das Herrenhaus selbst wirkt auf den zweiten Blick dann aber gar nicht so baufällig.
Im Inneren des alten Herrenhauses
Der Haupteingang steht natürlich weit offen. Der erste Blick ins alte Treppenhaus zeigt sofort, dass hier wenig rühmliche Eindrucke zu holen sind. Randaliert wurde hier natürlich wieder bis zur Unkenntlichkeit.
Im ebenerdigen Bereich zeigen sich jedoch noch einige Details, die uns in eine andere Zeit versetzen können. Ein alter Ofen mit Sitznische und eine alte Küchenhexe lassen Erinnerungen an Omas alte Stube und Küche aufkommen. Das war eine riesige Küche mit großen Fenstern und hoher Decke. Lichtdurchflutet und in meiner damaligen Wahrnehmung sehr mediterran angehaucht.
Gewürze hingen von der Wäscheleine, die durch die Küche gespannt wurden und im Kochtopf köchelten meist selbst angebaute Produkte aus dem eigenen, großen Garten oder nahegelegenem Wald in Form von Pilzen. Wald und Garten waren für mich als Kind die größten Abenteuerspielplätze überhaupt. Deshalb mag ich wahrscheinlich auch die Einöde so sehr, auch wenn Omas Haus nicht in der Einöde stand. Aber es wirkte groß und das Gelände durch den großen Garten weitläufig, wie diese Gelände und Haus ebenso.
Auf der gegenüberliegenden Seite von Küche und Wohnstube gab es noch passend zum alten Garten, zu dem wir gleich gelangen werden, eine Vorrats- u. Wäschekammer. Alte Einweggläser und andere Utensilien weißen hier eindeutig darauf hin.
Im alten Garten
Dieser Teil hat es mir irgendwie ganz besonders angetan. Der Garten erinnert mich zwar weniger an Omas alten Garten, aber der Gedanke, dass hier mal ein Garten war, lässt mich irgendwie in eine ganz andere Welt eintauchen. Überlegt doch mal und schaut Euch das Gelände mal an. Mitten auf einem Felsen, am Hang der Wald und an seinem Ende ein Bachlauf. Ein schön angelegter, nicht ganz aufgeräumter Garten mit wilden Blumen und Beeten, ein absoluter Traum.
Hier könnten ernsthaft tolle Filme und Geschichten entstehen. Gewiss ist dieser Ort durch seine Verwüstung für den ein oder anderen völlig uninteressant. Die Einöde, die Natur mit ihrem vielen grün, die bunten Mauerreste und die passenden Eindrücke wie die Küche und der alte Garten hat mich ganz besonders in eine längst vergessene Zeit zurückversetzt und wieder einmal eine schöne Geschichte über das Leben wie auf einer Leinwand ablaufen lassen.